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Ich bin (k)ein Model

Zehn Jahre ist es jetzt schon her, seitdem ich zum ersten Mal als Haarmodel gearbeitet habe. Genau, nicht als Laufstegmodel, dafür bin ich nämlich viel zu klein, sondern als Haarmodel. Was bedeuten sollte, dass die HAARE im Mittelpunkt stehen. Eigentlich …

Für einen Videodreh L’Oreal musste ich auch Haare lassen.

Meine „Karriere“ als Haarmodel begann vor zehn Jahren in Hamburg. Auf der Straße, welch Klischee, wurde ich angesprochen, ob ich nicht Lust hätte, eine neue, moderne Frisur zu bekommen, vor Publikum zu präsentieren und danach zu shooten. Ich war 19, gerade frisch nach Hamburg gezogen und studierte Musical, war also für einen Spaß zu haben. Der Job damals war für Vidal Sassoon. Eine große Nummer in der Haarbranche, wie ich später erfuhr. Damals kannte ich mich in dem „Business“ nicht aus. Ich ging hin, ließ mir einen Pixie und meinen ersten (und einzigen) Undercut rasieren, mich platinblond färben und hatte einen tollen Tag.

Danach begannen zehn Jahre, in denen meine Familie mich mit sämtlichen Farben und Schnitten sah. Es gab Pastellsträhnen, graue Haare, erdbeerblondes Haar, kürzere Haare, längere Haare, einfach alles. Als Kurzhaarmodel hatte ich meist immer Glück bei den Castings, weil viele Frauen ihre langen Haare behalten wollten. Castings. Ja, auch so etwas gehört in der Regel zu dem Job dazu. Entweder geht es auf Live-Castings oder in wenigen Fällen wird per Sedcard gecastet. Das hat den Vorteil, dass der Kunde genau weiß, was beziehunsgweise wen er bucht.

Letztes Jahr war der Granny-Look total angesagt.

Dachte ich zumindest. Insbesondere dieses Jahr auf der Top Hair in Düsseldorf (einer der wichtigsten Haarmessen in Deutschland), bekam ich mit, wie die Realität manchmal aussehen kann. Vorweg: In meiner Sedcard steht, dass ich 1,63 Meter bin und 59 Kilogramm wiege. Damit bin ich als Endzwanzigerin durchaus zufrieden. Klar, 2-3 Kilogramm weniger wären auch schön, aber ich liebe es, zu naschen. Wenn man regelmäßig für Haarjobs gebucht wird, bekommt man so einiges mit. Zum Beispiel wurde mir einmal ein Kleid in Größe 34 gegeben und dann gemeckert, dass ich mal abnehmen solle. Wohl bemerkt wusste der Kunde, dass ich eine 38 trage. Und sollte es nicht eigentlich auch um die Haare gehen?! Ich habe es erlebt, dass Frauen mit Kleidergröße 40 hintenrum von den Stylisten nur als „die Fetten“ bezeichnet wurden, was mich wirklich schlucken lässt. Ich meine, warum buchen sie diese Frauen, wenn sie dann später über sie herziehen?

In diesem Jahr wurde ich erdbeerblond.

Natürlich sind nicht alle Stylisten und Friseure so. Sonst würde ich das sicherlich nicht seit zehn Jahren machen. Ich habe tolle Agenturen, die mich genau so anbieten, wie ich bin und auch massig tolle Stylisten kennengelernt, die mir die neusten Trends auf den Kopf gezaubert haben. Ich möchte diese Erfahrungen auf keinen Fall missen. Zwischendurch einmal einen Tag in eine Glitzerwelt zu tauchen, sich schminken und frisieren zu lassen, ist echt toll. Aber auch hier sollte es respektvoll zugehen. Und vor allem sollte es um die Haare gehen, die auf den Köpfen von verdammt tolle Frauen präsentiert werden. Und es sollte egal sein, ob sie eine 32 oder 42 tragen. Frisuren sollten für Frauen (und Männer) jeglichen Gewichts gemacht werden und ihnen diesen Moment bescheren, den ich in den letzten Jahren häufig erlebt habe: Einen Blick in den Spiegel, ein Lächeln, weil man so vollkommen anders als im Alltag aussieht, und das Gefühl, richtig toll zu sein!

Sarah Weber ist als Journalistin und Bloggerin am Niederrhein unterwegs. 2015 hat sie ihren 2-Fach-Master in Germanistik und Niederlandistik an der Universität Duisburg-Essen abgeschlossen und ist seitdem wieder in ihrer Heimatregion unterwegs. Neben dem Schreiben engagiert sich die Wahlmoerserin auch in der lokalen Kulturszene. Auf ihrem Blog entdeckt die Journalistin die Schönheiten ihrer Heimat und lässt ihre Leser an ihrem Leben teilhaben. Mal ernsthaft, mal amüsant, aber zu 100 Prozent immer authentisch und mit Freude an ihrer Passion - dem Schreiben.