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Freilichtbühne Tecklenburg im Stück Les Misérables

Les Misérables

Den Pariser Juniaufstand von 1832 als Musical? Willkommen bei Les Misérables!

Die Melodien lagen mir schon lange in den Ohren, aber damals, als das Musical in Duisburg spielte, war ich noch etwas zu jung. Über viele, viele Jahre habe ich mir deshalb nichts sehnlicher gewünscht, als das Musical live zu sehen. Mit der Bekanntgabe, dass Les Misérables dieses Jahr bei den Freilichtspielen Tecklenburg aufgeführt wird, ging deshalb ein Herzenswunsch für mich in Erfüllung.

Für mich war nicht nur das Musical neu, sondern auch die Spielstätte. Die Freilichtbühne in Tecklenburg ist wunderschön gelegen. Man fährt einige Minuten, wenn man die Autobahn verlassen hat, und befindet sich schon in Tecklenburg. Mehrer Parkplätze sind dann geeignet, um zur Freilichtbühne zu kommen. Das kleine Städtchen ist sehr charmant und bietet sich für einen kurzen Stopp deshalb bestens an.

Höhepunkt im ersten Akt: „Morgen schon“

Dann ging es auch schon los. Punkt 20 Uhr erklungen die Klänge des Prologs und ich bekam, nicht zum letzten Mal an diesem Abend, eine Gänsehaut. Es macht schon Eindruck, wie die Männer von den Seiten der Bühne hochkommen und die Gefangenen mimen. Direkt in den ersten Minuten des Stückes war klar: die Besetzung der Rolle Jean-Valjean ist bestens gelungen. Patrick Stanke füllt die Rolle von Anfang an mit so viel Leben, dass man am Ende bei seiner Todesszene wirklich mittrauert. Gesanglich und schauspielerisch hat Stanke von der ersten Minute an überzeugt und ihm gebührte vollkommen zurecht der wohl längste Applaus an diesem Abend.

Einen vergleichsweise kurzen, aber deswegen nicht weniger beeindruckenden, Auftritt legte Milica Jovanovic als Fantine hin. Innerhalb der wenigen Minuten, die sie hat, verkörpert sie glaubhaft ihren Abstieg, der sie schließlich dazu treibt, sich zu prostituieren. „Ich hab geträumt vor langer Zeit“ war einer meiner vielen Höhepunkte dieser Produktion, was an Jovanovics einfühlsamer Interpretation der Rolle lag. Um beim Beginn zu bleiben, muss auch noch „Wer bin ich“ Erwähnung finden. Grandios, wie Stanke die Zerrissenheit seiner Rolle darstellt. Die Frage, ob er sich stellen soll, wird am Ende mit dem Aufknöpfen seines Hemdes und dem Zeigen seiner Sträflingsnummer 24601 beendet (Fun Fact: die Zahlen waren bei der Premiere nicht mehr zu lesen 😉 ).

Herrlich, wirklich herrlich sind Jens Janke und Bettina Meske als Thénardiers. Was für eine geniale Darbietung von „Herr im Haus“. Überhaupt überzeugen beide, voran aber Janke, das ganze Stück über mit ihrer witzigen Darstellung der Rollen. Neben dem ernsten Stoff eine definitiv gelungene Abwechslung, die für lautes Gelächter im Publikum sorgte.

Das ABC-Café

Bevor es ins ABC-Café zu den Studenten geht, muss natürlich auch noch die zweite männliche Hauptrolle Erwähnung finden. Der Polizist Javert wird von Kevin Tarte verkörpert. Schon zu Beginn fürchtet man den Polizisten, der Jean-Valjean androht, ihn immer zu finden und zu verfolgen. Bis zu seinem Selbstmord im zweiten Akt bleibt es gerade dieses Katz-und-Maus-Spiel zwischen ihm und Jean-Valjean, dass das Stück (mit) ausmacht. Ich muss sagen, dass mir das Zusammenspiel zwischen Stanke und Tarte sehr gut gefallen hat und mich definitiv überzeugte.

Bei den Studenten war es nicht nur Marius, gespielt von Florian Peters, der mich total überraschte, sondern auch Enjolras, dargestellt von David Jakobs. Jakobs schaffte es, mich ab dem ersten Moment in seinen Bann zu ziehen und hätte ich nicht im Publikum gesessen, wäre ich mit ihm auf die Barrikade gegangen. Eine mehr als gelungene Vorstellung.

Mein absolutes Highlight des ersten Aktes war neben „Das Lied des Volkes“ ganz klar „Morgen schon“. Dieser gewaltige Chor, der für dieses Stück gecastet wurde, im Zusammenspiel mit den Hauptrollen ist grandios und sorgte bei mir für totale Gänsehaut. Als dann noch die riesige rote Fahne über die Felsen herunter gelassen wurde, hielt es auch nur noch weniger Zuschauer auf ihren Plätzen. Ganz großes Kino!

Höhepunkt des zweiten Aktes: „Bring ihn heim“

Der zweite Akt begann auch direkt mit einem Highlight. Lasarah Sattler sang in der Rolle der Eponine „Nur für mich“. Schon da kullerte die erste Träne über meine Wange. Es ist so herzzerreißend, wie Sattler in ihrer Rolle alles für Marius tut, um seine Liebe zu gewinnen, auch wenn diese Cosette, gespielt von Daniela Braun, vorbehalten ist. Wer bis hierhin noch Zweifel an Stankes Interpretation des Jean-Valjeans hatte, dem sollte spätestens mit „Bring ihn heim“ vom Gegenteil überzeugt werden. Stanke mimt den Vater, der aus Liebe zu seiner Tochter den späteren Ehemann retten will, so überzeugend, dass man ihn nur allen Männern der Welt als Schwiegervater wünscht. Kein Wunder, dass es zum Schluss bei seiner Todesszene auch zu vielen Tränen kam.

Eine Rolle, die ebenfalls noch Erwähnung finden sollte, ist die des kleinen Straßenjungen Gavroche. Absolut hinreißend war der kleine Junge, der auf der Barrikade leider auch sein Leben lassen musste (Achtung, Taschentuchalarm!).

Ich muss gestehen, dass es lange kein Musical mehr gab, das mich dermaßen mitgerissen hat. Eine absolut grandiose Umsetzung auf dieser einmaligen Bühne. Meine absolute Sommerempfehlung lautet also: fahrt nach Tecklenburg und schaut euch Les Misérables an!

*Unbezahlte Werbung durch Nennung der Produktion / Verlinkung

 

Sarah Weber ist als Journalistin und Bloggerin am Niederrhein unterwegs. 2015 hat sie ihren 2-Fach-Master in Germanistik und Niederlandistik an der Universität Duisburg-Essen abgeschlossen und ist seitdem wieder in ihrer Heimatregion unterwegs. Neben dem Schreiben engagiert sich die Wahlmoerserin auch in der lokalen Kulturszene. Auf ihrem Blog entdeckt die Journalistin die Schönheiten ihrer Heimat und lässt ihre Leser an ihrem Leben teilhaben. Mal ernsthaft, mal amüsant, aber zu 100 Prozent immer authentisch und mit Freude an ihrer Passion - dem Schreiben.