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Markus Grimm

Märchen, die das Leben schrieb – Markus Grimm

Er ist der kleine, unscheinbare Junge ganz hinten links. Wobei unscheinbar eigentlich das falsche Wort ist, er fällt schon auf, aber eher ungewollt durch seine Statur, durch sein unbeholfenes Verhalten, dadurch, dass er ist, wie er halt ist: ein kleiner Künstler, der noch nicht weiß, wohin ihn das Leben eines Tages führen wird.

20 Jahre später. Aus dem kleinen Jungen von damals ist unlängst ein erwachsener Mann geworden. Einer, der Musik macht, der vorliest, der selber schreibt und dessen Vergangenheit von vielen einzig mit einem längst ausgelutschten Fernsehformat verbunden wird.  Dass er mehr kann, mehr will und mehr ist als eben jenes Format, zeigte er bereits eindrucksvoll mit zahlreichen Projekten in den letzten Jahren. Jetzt erzählt er seine Geschichte: Märchen, die sein Leben schrieb.

Der Platz hinten in der Ecke mit dem Blick nach vorn

Er sitzt in der Eckbank der Röhre, ganz hinten durch, mit dem Blick nach vorn. Bewusst habe er sich diesen Platz ausgesucht, weil es schon zu Schulzeiten sein Platz gewesen sei: „Hier sind die ersten Gedichte entstanden“, erklärt Markus Grimm lächelnd und wirkt für einen Moment beinahe melancholisch. Kein Wunder, ist sein Buch doch eine Reise in seine Vergangenheit. „Spätgeborener 90er Bengel mit schiefen Zähnen und der idiotischen Idee, sein Leben mit Musik Theater, Stift und Papier zu bestreiten“ – so beschreibt Grimm sich nicht nur im Buch, so ist er auch. „Ein echtes Plappermaul eben“, sagt er und grinst. Diese Offenheit ist es, die einen direkt in den Bann zieht. Er, dessen Nachnamen eine große Bürde sein könnte, macht am Ende sein ganz eigenes Ding aus diesem Erbe: Er erzählt Geschichten, aber auf seine Art und Weise.

Freiheit für 21,5 Stunden

So erzählt er im Kapitel „Freiheit für 21,5 Stunden“ zum Beispiel von dem Weg in seine eigene Freiheit: „Es war einmal, ein Junge auf einer Mission, auf dem Weg in die Freiheit (…) genau diese Freiheit hörte ich rufen, als ich unrasiert, weil damals kein nennenswerter Bartwuchs vorhanden, mit diesem Rucksack in der Hand in meinem Kinderzimmer stand.“ Man sieht Grimm förmlich vor sich, wie er dort steht mit seinem Rucksack, seinen Freund anruft und die beiden dann loslaufen. Auf in die Freiheit – oder eben zum nächstgelegenen Tümpel, den man als Jugendlicher kannte. Im Hintergrund läuft dazu das Lied zum Kapitel: „Der Schatten des dicken Jungen aus den 90ern“. Ich wippe mit, ertappe mich, wie ich abschweife, mich in meinen Gedanken selbst wieder als Jugendliche vorfinde. Grimms Worte haben die Macht, Erinnerungen entstehen zu lassen.

Mein Vater, Hans Albers

Um Erinnerungen geht es auch im Kapitel „Mein Vater, Hans Albers“. Grimm beschreibt die Beziehung zu seinem Vater, einem echten Schifffahrtskapitän. Sein Vater hat erst am Ende seines Lebens Frieden gefunden mit Grimms Lebensweise. Und doch klingen in den Zeilen, die Grimm schreibt, große Anerkennung und Liebe mit. Eine Liebe, die es nur zwischen Vater und Sohn gibt. Kein Zufall also, dass er auch genau diesem Mann das Lied „Leinen los“ gewidmet hat. Markus erzählte mir, dass das Lied bei der Premierenlesung für viele Tränen gesorgt hat. In dem Kontext mehr als verständlich. Ich habe es losgelöst vom Kapitel auf der Autofahrt gehört und war überrascht, welche Wirkung es auf mich hatte. Ich empfand das Lied als sehr positiv, dynamisch und mitreißend.

Fazit: Wer das Buch in den Händen hält, hat nicht nur 16 Kapitel zu lesen, sondern eben auch 16 Tracks zum Hören. Eine Mischung, die zum Lachen, Nachdenken und Innehalten einlädt.

*Werbung durch Rezensionsexemplar / Foto: Frank Lothar Lange

Sarah Weber ist als Journalistin und Bloggerin am Niederrhein unterwegs. 2015 hat sie ihren 2-Fach-Master in Germanistik und Niederlandistik an der Universität Duisburg-Essen abgeschlossen und ist seitdem wieder in ihrer Heimatregion unterwegs. Neben dem Schreiben engagiert sich die Wahlmoerserin auch in der lokalen Kulturszene. Auf ihrem Blog entdeckt die Journalistin die Schönheiten ihrer Heimat und lässt ihre Leser an ihrem Leben teilhaben. Mal ernsthaft, mal amüsant, aber zu 100 Prozent immer authentisch und mit Freude an ihrer Passion - dem Schreiben.