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Die Suche nach der Heimat

Manche werden geboren und wissen direkt, wo sie ist. Andere sind lange auf der Suche nach ihr. Gemeint ist die Heimat.

Kaum ein Thema spielt so unterschwellig immer wieder eine Rolle bei vielen meiner Interviews, wie das Thema Heimat. Oftmals geht es ganz offensiv darum, wie zum Beispiel bei Gesprächen mit Flüchtlingen. In ihren Augen spiegeln sich dann Verzweiflung, Entsetzen und Traurigkeit wieder, wenn sie an ihre Heimat denken. Manchmal kommt das Thema Heimat auch eher nebenbei auf. Zum Beispiel als ich einen Schneider nach seiner Herkunft befragte und er mir von seiner Heimat Italien erzählte. Genau diese Begegnung war es auch, die mich zu diesem Blogbeitrag inspirierte. Das Glitzern in seinen Augen, als der gebürtige Italiener an „Italia“ dachte und mit leicht gebrochener Stimme von seiner geliebten Heimat erzählte. Ich spürte, wie sehr es ihn, gerade jetzt im fortgeschrittenen Alter, fehlte, in seinem kleinen italienischen Dorf zu leben. Und doch hat er sich für bessere Arbeitsbedingungen in Deutschland entschieden. Eine Vernunftsentscheidung, gegen die das Herz machtlos war.

Heimat. Ein unglaublich starkes Wort, dessen Bedeutung man, wie ich finde, erst im Laufe eines Lebens kennenlernt. Aber was macht die Heimat eigentlich aus? Ist es einzig die Wohnung, in der man lebt? Die Leute, die in der Umgebung wohnen oder gar der Geruch, wenn man das Haus verlässt? Ich glaube, Heimat macht all das zusammen aus. Man kann sich in einem Haus zwar zu Hause fühlen und trotzdem muss dieses Haus nicht in der Heimat sein. Heimat hat für mich etwas tief Verwurzeltes, vielleicht ist es dort, wo man aufgewachsen ist. Nicht selten zieht es junge Leute nach Studium und Co, genau so wie mich, wieder in die Geburtsstadt zurück. Und trotzdem bin ich mir sicher, dass auch die Möglichkeit besteht, die Heimat anderswo zu finden. Manchmal sind es Erlebnisse, die die einstige Heimat in unseren Köpfen zu etwas machen, wo wir nie wieder hinzurück wollen. Orte sind unglaublich stark an Geschehnisse verbunden und haben deshalb natürlich auch die Macht, von ihnen beeinflusst zu werden.

Mitten am grünen Niederrhein. Fotos: Bettina Engel-Albustin / Foto Agentur Ruhr

Umso mehr ich darüber nachdenke, bin ich mir sicher, dass die wenigsten die Frage nach ihrer Heimat zu Beginn des Lebens beantworten können. Ich auch nicht. Ich weiß, dass ich mich zurzeit hier am Niederrhein heimisch fühle. Hier wo meine Familie ist, meine Arbeit. Ich finde es spannend, viele Wohlfühlorte hier zu entdecken und trotzdem auf der Suche nach dem Ort zu sein, an dem ich am Ende meines Lebens hoffentlich zufrieden lächelnd sitzen werde mit der Erkenntnis: Das ist meine Heimat.

Meine Suche nach der Heimat

„Hamburg. Das war wie ein funkelnder Ring im Schmuckkästchen. Man holt ihn zu besonderen Ereignissen immer heraus und zeigt ihn voller Stolz rum. Manchmal sitzt man auch alleine zu Hause und schaut ihn sich in Ruhe an und erfreut sich darüber. Essen. Essen war da eher wie eines dieser Armbänder von Nomination oder wie sie alle hießen, die vor einigen Jahren total im Trend waren. Man hat immer neue Anhänger gesammelt, um sein Armband zu erweitern. Aber irgendwann war der Trend auch wieder vorbei. Und Moers, tja, Moers ist wie das kleine silberne Armbändchen, das man als Kind geschenkt bekommen hat und ewig getragen hat. Selbst als es irgendwann nicht mehr passte, konnte man es nicht weggeben und hat es wie einen Schatz in der kleinen Schmuckschatulle mit der Ballerina oben drauf, aufgehoben.

Moers war für mich lange Zeit vor allem eins: Meine Geburtsstadt und eine Stadt, die mir manchmal zu klein war. Irgendwie fand ich das Ruhrgebiet mit seinen vielen großen Städten immer cooler. Und hipper. So viele Möglichkeiten sich auszuprobieren und Dinge zu erleben. Aber Dinge sind und bleiben oftmals eben auch nur Dinge, wenn sie nicht mit Personen, die man liebt, verbunden sind. Man kann sie gegen ein anderes aktuelles Trendstück austauschen, ohne dass dem Herzen etwas fehlt. Anders ist es mittlerweile mit Moers. Moers ist da, wo mein Herz zu schlagen begann. Wo mein Herz sich zum allerersten Mal nach jemanden verzehrte und wo mein Herz vor Trauer fast stehen zu blieben schien. Moers ist da, wo ich mich heimisch fühle.“

Sarah Weber ist als Journalistin und Bloggerin am Niederrhein unterwegs. 2015 hat sie ihren 2-Fach-Master in Germanistik und Niederlandistik an der Universität Duisburg-Essen abgeschlossen und ist seitdem wieder in ihrer Heimatregion unterwegs. Neben dem Schreiben engagiert sich die Wahlmoerserin auch in der lokalen Kulturszene. Auf ihrem Blog entdeckt die Journalistin die Schönheiten ihrer Heimat und lässt ihre Leser an ihrem Leben teilhaben. Mal ernsthaft, mal amüsant, aber zu 100 Prozent immer authentisch und mit Freude an ihrer Passion - dem Schreiben.