Ein letztes Glück auf
Der Steinkohlebergbau gehörte zum Leben am Niederrhein und im Ruhrgebiet. Jetzt ist Schluss damit.
Viele Jahre war der Bergbau einfach da. Ich wusste, dass mein Papa auf der Zeche arbeitet, aber viel mehr habe ich mich damit nicht beschäftigt.
Heute, über 20 Jahre später, lasse ich die Jahre Revue passieren und merke lächelnd, wie sehr der Bergbau auch mein Leben geprägt hat. Da ist zum Beispiel der Ausdruck „malochen“. Ganz klar, wenn jemand richtig viel arbeitet, dann malocht er. Ich glaube, dass was ich bisher in meinem Leben arbeiten musste, kommt niemals an die Arbeit ran, was die Männer unter Tage geleistet haben. Alleine die Bedingungen, unter denen gearbeitet wurde, verdienen tiefsten Respekt.
Die Bedingungen waren mit Sicherheit nicht immer leicht. Ich erinnere mich noch gut daran, wie manchmal nachts das Telefon klingelte: „Es gibt ’nen Futtsack, ich muss los“, hörte ich Papa dann erklären und weg war er. Futtsack, für mich jahrelang ein ganz normaler Begriff für ein Problem, das aufgetreten ist. Das dieses Wort, das ich bis heute ebenfalls verwende, aus dem Bergbau stammt, war mir lange nicht klar.
Futtsack: Wenn Unruhe oder Probleme im Schacht auftraten, bekamen die Pferde zur Beruhigung den „Futtersack“, daraus wurde verkürzt „Futtsack“ – später allgemein übertragen auf knifflige Situationen (aus: Rheinhausener Bergbaubegriffe)
Es ist toll zu bemerken, wie diese Ära nicht nur die Menschen, sondern auch deren Sprache beeinflusst hat. Genau so durfte ich mir, wenn ich in meiner jugendlichen Rebellion das Wörtchen „ey“ verwendet habe anhören: „Ey ist auf Nachtschicht“. Hinter dieser saloppen Aussage steckt mehr, als man auf dem ersten Moment meinen mag. Steckt dahinter doch die Intention, dass man den Anderen mit Respekt behandelt – und auch so mit ihm spricht. Respekt und Zusammengehörigkeit waren mit sicherlich zwei Begriffe, die diese Ära sehr prägten.
Ich erinnere mich noch gut an eine Demo, zu der wir damals gemeinsam gegangen sind. Ich muss noch relativ jung gewesen sein und doch sehe ich noch genau die Bilder vor mir, wie diese zahlreichen Menschen alle gemeinsam für etwas einstehen. Für etwas, was für sie unlängst mehr war als nur eine Arbeit. Wer kann heutzutage schon behaupten, dass ihm die Arbeit sehr viel bedeute? Für viele ist es wohl eher eine Notwendigkeit, um Geld zu verdienen. Ein Gefühl von Zusammengehörigkeit, Solidarität und Vertrauen gibt es nur noch selten. Genau diese Gefühle waren es auch, die beim Kerzenkonzert des Knappenchors Rheinland im ehemaligen Schacht IV in den zahlreichen Gesichtern der Menschen zu sehen waren. Ein Abschied mit Wehmut und der einen oder anderen Träne, spätestens als das Steigerlied erklang und alle mit einstimmten.
Was bleibt? Mit Sicherheit die braunen Handtücher, die wir immer zu Hause hatten. Genauso wie die gute Zechenseife, mit der die Hände gewaschen wurden. Aber darüber hinaus? Das Wissen, dass mit dem Bergbau eine Arbeit geschaffen wurde, die zur Identität der Region beitrug. Die aus Männern, Kumpel werden ließ und die Werte vermittelte, die heute nicht mehr selbstverständlich sind. Glück auf!