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Agnes geht – Katja Keweritsch

Mit „Agnes geht“ entführt Autorin Katja Keweritsch die Leser*innen auf berührende und aufwühlende Art in den Lebensalltag einer berufstätigen Mutter.

Als im letzten Jahr Katja Keweritschs Debütroman „Die wundersame Reise der Bienen“ herauskam, war ich von Seite 1 begeistert für ihr Gespür für Sprache. Mit wunderschönen Worten hat sie selbst bewegende Thematiken in Poesie verwandelt und ihnen die Schwere genommen. Hier könnt ihr meine Rezension zu dem Roman nochmal lesen. Natürlich war deshalb sofort klar, dass ich auch ihren neuen Roman „Agnes geht“ lesen möchte. Und soviel vorab: Er hat mich restlos begeistert!

Geschichte

Agnes ist eine berufstätige Hausfrau. Sie hält ihrem Mann Tom den Rücken frei und kümmert sich um den Haushalt und die Erziehung der Kinder. Als er sie zu einer Firmenveranstaltung einlädt, kommt Agnes direkt von der Arbeit gehetzt dort an – nicht wissend, dass Tom an diesem Abend eine wichtige Auszeichnung verliehen bekommt und der Dresscode alles andere als casual ist. Sehr zum Entsetzen von Tom.

Und dann kommst du in diesem … lächerlichen Aufzug daher! Gönnst mir nicht den Lohn meiner Mühen, wirfst mir vor, dich bloßzustellen, den Erfolg nicht verdient zu haben.

S. 39

Nach dem heftigen Streit und den bitteren Vorwürfen ist für Agnes klar, dass sich grundsätzlich etwas ändern muss. Sie will ihr Leben so nicht mehr weiterführen und deswegen geht sie weg von ihrer Familie und hin zu sich selbst. Zu Fuß von Hamburg nach Berlin!

Cover „Agnes geht“. Diana Verlag

Meine Meinung

Was ein Arsch. Genau das war mein erster Impuls, als ich gelesen habe, wie Tom auf Agnes Outfit reagiert. Umso nachvollziehbarer fand ich Agnes Reaktion darauf, einfach zu gehen (im wortwörtlichen Sinne).

Agnes ging weiter. Sie wusste nicht, was sie sonst hätte tun sollen.

S. 54

Natürlich läuft Agnes in diesem Moment erst mal von einer weiteren Auseinandersetzung mit Tom weg. Aber es ist eben – wie oft – nicht nur dieser eine Moment, der Agnes zum Gehen bewegt hat, sondern die Vielzahl an Erwartungen und unausgesprochenen Vorwürfen, die schon lange im Familienalltag verwurzelt sind. Tom erkennt nur sehr langsam, was der Mental Load und die Care-Arbeit über all die Jahre mit Agnes gemacht hat.

Die Wände der Wohnung markierten die Grenze, die die große Freiheit hütete. Dort, im Draußen, wo bezahlte Arbeit, Anerkennung und Wirksamkeit warteten.

S. 170

Doch ist es mittlerweile vielleicht zu spät für diese Erkenntnis? Agnes lernt auf ihren Weg nämlich nicht nur sich selbst kennen, sondern aus Bas, der in einer einsamen Hütte wohnt und mit dem sie ein paar bedeutungsvolle Nächte verbringt. Als sie Tom wiedersieht ploppen all die Themen auf, die Agnes Entscheidung ausgemacht haben. Die Wut, dass Tom seiner Rolle im Haushalt nicht nachkam und sie für alles alleine zuständig war. Aber auch die Wut darüber, dass sie ihre Träume aufgegeben hatte. Doch was heißt die Erkenntnis am Ende?

Fazit

Was ein Buch! Aktueller und brisanter könnte die Thematik nicht sein. Der Diskurs der ungerechten Aufteilung von Care Arbeit wird dem/ der Leser*in mitten ins Gesicht gewirbelt und verursacht Bauchschmerzen. Er rüttelt auf und macht wütend. Wenn Mareike Fallwickl mit ihrem großartigen Roman „Die Wut, die bleibt“, das Thema laut hinausposaunt hat, setzt Katja Keweritsch mit „Agnes geht“ mit leisen und malerischen Tönen den Tenor fort. Ganz große Leseempfehlung!

  • Werbung durch Rezensionsexemplar: Für diesen Blogbeitrag habe ich ein Rezensionsexemplar vom Diana Verlag gestellt bekommen. Meine Meinung ist davon nicht beeinflusst.

Sarah Weber ist als Journalistin und Bloggerin am Niederrhein unterwegs. 2015 hat sie ihren 2-Fach-Master in Germanistik und Niederlandistik an der Universität Duisburg-Essen abgeschlossen und ist seitdem wieder in ihrer Heimatregion unterwegs. Neben dem Schreiben engagiert sich die Wahlmoerserin auch in der lokalen Kulturszene. Auf ihrem Blog entdeckt die Journalistin die Schönheiten ihrer Heimat und lässt ihre Leser an ihrem Leben teilhaben. Mal ernsthaft, mal amüsant, aber zu 100 Prozent immer authentisch und mit Freude an ihrer Passion - dem Schreiben.

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